{"id":31,"date":"2024-01-22T15:07:23","date_gmt":"2024-01-22T12:07:23","guid":{"rendered":"http:\/\/museum-albersdorf.de\/?page_id=31"},"modified":"2024-01-22T15:09:58","modified_gmt":"2024-01-22T12:09:58","slug":"das-marchen-von-den-vier-zwergen-im-riesewohld","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.museum-albersdorf.de\/riesewohld\/sagen.htm","title":{"rendered":"Das M\u00e4rchen von den vier Zwergen im Riesewohld"},"content":{"rendered":"\n

Vor langen, langen Jahren, als es noch keine Telegraphen und Eisenbahnen, keine Automobile und Luftschiffe gab, lebten im Riesewohld an der Grenze von Dithmarschen vier kleine Zwerge, «die Unterirdischen» genannt. Sie waren nicht gr\u00f6\u00dfer als ein guter Mannsschuh zu sein pflegt und hatten kleine runzlige, aber gutm\u00fctige Gesichter. Sie trugen alle dieselben Zipfelm\u00fctzen, die sie immer neu aus Blumenbl\u00e4ttern anfertigten, und ihre Beinkleider und R\u00f6cke waren kunstvoll aus Baumrinde gemacht. Sie waren stets sauber und ordentlich im \u00e4u\u00dferen Aussehen. Sie hielten etwas auf sich, und man konnte ihnen auch nichts Unrechtes in ihrem Lebenswandel nachsagen, obwohl in der Gegend das Ger\u00fccht ging, da\u00df sie mit der Schwarzkunst und dem Teufel im Bunde w\u00e4ren. Es hie\u00df auch, da\u00df sie \u00fcber gro\u00dfe Reicht\u00fcmer verf\u00fcgten, weil ihnen das Innere der Erde geh\u00f6ren sollte.
Ihre Lebensweise war aber nicht dementsprechend. Sie waren im Gegenteil sehr gen\u00fcgsam und s\u00e4ttigten sich von den Beeren des Waldes, von Mohn- und Blumensamen, im Winter von Eicheln, Hasel- und anderen Waldn\u00fcssen. Als Wohnung diente ihnen das am Rande des Riesewohld gelegene H\u00fcnengrab, das ihre Eltern als Unterschlupf erkoren hatten, ehe sie geboren wurden.
Aus welcher Gegend die Vorfahren der Zwerge gekommen waren, ob aus Liliput oder aus K\u00f6lln, wo ehemals, wie bekannt, das Geschlecht der Heinzelm\u00e4nnchen vorwiegend heimisch war, wu\u00dfte niemand zu sagen. Ihre Eltern, die ihnen dar\u00fcber Auskunft h\u00e4tten geben k\u00f6nnen, waren nach kurzer Laufbahn in jungen Jahren gestorben. Der Vater war in einem ungl\u00fccklich gef\u00fchrten Kampf mit einem Raben umgekommen, und die Mutter beim Baden von einem Blutegel, der sich an ihrem Fu\u00df festgesogen hatte, in die Tiefe gezogen worden.
Wahrscheinlich ist das Geschlecht der Unterirdischen, so m\u00fcssen wir erg\u00e4nzen, doch aus Liliput gekommen und zwar lange bevor Amerika durch Kolumbus entdeckt wurde. Sie werden zur Zeit, als die Wikinger den Seeweg nach der Neuen Welt fanden, was um die Zeit der Geburt Christi geschehen sein soll, als blinde Passagiere auf den verschiedenen Wikingerfahrten nach Europa her\u00fcber gebracht worden sein, worauf sie einige Menschenalter ruhig und friedfertig in unseren Gegenden lebten, ohne den Einwohnern zu schaden oder ihnen im Wege zu sein.
Das gilt auch von den vier Zwergen, die in dem H\u00fcnengrab am Riesewohld das Licht der Welt erblickt hatten und im fr\u00fchen Alter Waisen geworden waren. Ganz auf sich selbst angewiesen und fast ohne Belehrung f\u00fcr den Kampf ums Dasein ausger\u00fcstet, blickten sie sich mit neugierigen Kinderaugen in ihrer Umgebung um. Aber mit dem feinen Instinkt begabt, der allen Alleinstehenden und Einsamen eigen ist, mieden sie fast \u00e4ngstlich jede Ber\u00fchrung mit der Welt, obwohl sie im Innern ein gro\u00dfes Verlangen hatten, diese Menschenwelt kennenzulernen. Sie wuchs auch mit jedem Jahr und war schlie\u00dflich nicht mehr zu bez\u00e4hmen. Da beschlossen sie, es zun\u00e4chst einmal mit n\u00e4chtlichen Streifz\u00fcgen zu versuchen. Sie waren aber, wie man sich denken kann, nicht sehr ersprie\u00dflich, da bei nachtschlafender Zeit die Welt kein allzu interessantes Gesicht hat, wenigstens nicht in D\u00f6rfern und kleinen St\u00e4dten. Sie sahen denn auch nicht viel mehr als den Nachtw\u00e4chter, der sich vor Dieben und betrunkenen Menschen f\u00fcrchtete, und die knurrenden Pudel, die in ihren Hundeh\u00e4usern an der Kette lagen und alles bekl\u00e4fften, was nicht zum Hause geh\u00f6rte. Da lie\u00dfen sie Dorf Dorf und Menschen Menschen sein und ergingen sich nur noch im m\u00e4chtigen Riesewohld, der sozusagen ihre engere Heimat war. Sie liebten diesen Wald \u00fcber alles und kannten ihn in seiner ganzen Ausdehnung.\u00a0Zur\u00fcck<\/strong>
Als Wohnung hatten sie das von den Eltern \u00fcberkommene H\u00fcgelgrab behalten. Es war einmal von F\u00fcchsen oder Dachsen bewohnt gewesen, die es sehr gem\u00fctlich mit Moosen und trockenem Laub ausgepolstert hatten. Die Eltern waren auch bem\u00fcht gewesen, ihrerseits zur besseren Einrichtung und Ausgestaltung des Wohnheims beizutragen. Und sie selbst wu\u00dften zur Versch\u00f6nerung Efeu und Mistel an den W\u00e4nden zu ziehen und das Mobiliar durch bequeme St\u00fchle aus Binsen und Hederig zu vervollst\u00e4ndigen. Auch hatte einer der Br\u00fcder in faulendem Holz eine Art Beleuchtung f\u00fcr den Winter konstruiert. Im Herbst wu\u00dften sie sich \u00fcberhaupt mit allem zu versehen und versorgen, was f\u00fcr den kalten dunklen Winter nottat. Was sie zum Lebensunterhalt bedurften, war allerdings nicht viel, da sie sehr anspruchslos und gen\u00fcgsam waren. Mit Eicheln und Haseln\u00fcssen verknapperten sie die langen dunklen Tage, indem sie kurzweilige Geschichten immer wieder auffrischten, die sie in ihren K\u00e4mpfen mit Maulw\u00fcrfen und Wasserratten zu bestehen hatten. Sie machten Jagd auf diese Tiere, weil ihre Pelze ihnen als Winterkleidung diente.
An besonderen Festtagen, den Namenstagen der Br\u00fcder oder den Sonnwendfesten leisteten sie sich Honigwaben, die aller Lieblingspeise war und auch nicht ohne hitzigen Kampf gewonnen werden konnten. Die heimt\u00fcckischen Bienen verfolgten sie oft Tag und Nacht, wenn sie ihr Nest ausgenommen hatten. Das geschah im Hochsommer, wenn alles gr\u00fcnte und bl\u00fchte.
Im Sommer gestalteten sie ihr Leben \u00fcberhaupt ungleich freundlicher und fr\u00f6hlicher. Dann zogen sie als Sommerfrischler aus dem muffigen H\u00fcnengrab unter die D\u00e4cher der gro\u00dfen roten Fliegenschw\u00e4mme, die extra f\u00fcr sie zu wachsen schienen. Zwar waren sie in diesen luftigen Wohnungen mehr als in ihrer Feste den vielen sie bedrohenden Feinden ausgesetzt: den Ratten, Kr\u00e4hen, Eulen und allem derartigen Waldgetier. Aber sie hielten sich nahe zusammen und waren auch meist bis an die Z\u00e4hne bewaffnet. Dazu hatten sie ihre gut zugerittenen Eichh\u00f6rnchen als Reitpferde bei der Hand, auf deren R\u00fccken sie jeder Gefahr entfliehen konnten, da die Eichh\u00f6rnchen fast ungesehen jeden Baumstamm zu erreichen vermochten. Ja, es war ein lustiges, ungebundenes Leben, das sie Zwerge zur Sommerzeit f\u00fchrten. Dabei war des ganze unermessliche Waldrevier ihr Eigentum, wo sie alle Beerenpl\u00e4tze nach der Jahreszeit kannten. Zuerst kamen die Erdbeeren. dann die Bickbeeren, darauf die Himbeeren und zuletzt die Brombeeren. Aus den Krons- oder Prei\u00dfelbeeren machten sie sich nicht viel. Sie waren richtiggehende S\u00fc\u00df- und Leckerm\u00e4uler.
Die Zwerge h\u00e4tten also alle Ursache gehabt, namentlich im Sommer, mit ihrem Dasein zufrieden zu sein. Aber wie in den Menschen wohnten in den Zwergen zwei Seeelen in ihrer Brust. Vornehmlich Thomas, der J\u00fcngste der Zwergenbr\u00fcder, hatte noch immer den hei\u00dfen Drang in die Welt und nach den Menschen. Als er nun eines Tages ein vom Winde getriebenes Plakat im Walde fand, das die Einladung zu einem im n\u00e4chsten Dorf stattfindenden Sch\u00fctzenfest mit nachfolgendem Ball enthielt, da war kein Halten mehr. Der besonnene \u00e4ltere Zwergenbruder hielt darauf eine Ansprache an die Vier und sagte unter anderm: Thomas w\u00e4re gewi\u00df am schlimmsten daran von ihnen allen, da er die Elterm kaum gekannt h\u00e4tte und ohne ihre Liebe und Beratung aufgewachsen w\u00e4re. Sein Ungest\u00fcm w\u00e4re daher begreiflich, und er, der \u00c4lteste im Rat der Br\u00fcder, meine daher, da\u00df man ihm den Willen tun und die Welt zeigen m\u00fc\u00dfte. Er b\u00e4te aber die Br\u00fcder, ihre wohlerwogenen Stimmen zu dem Unternehmen abgeben zu wollen. Es k\u00f6nnte ja f\u00fcr sie alle mi\u00dflingen?! Gefahrvoll w\u00e4re es auf jeden Fall, aus ihrem friedlichen Idyll in die Herberge der Menschen zu gehen, die, wie bekannt, auf Streit und blutige Schl\u00e4gereien erpicht w\u00e4ren. Zwei Br\u00fcder waren gegen den Ritt, zwei daf\u00fcr, weil Thomas als Anstifter den Ausschlag gab.\u00a0Zur\u00fcck<\/strong>
Die Vorbereitungen zu der Weltreise nahmen bei den Naturmenschen keine lange Zeit in Anspruch. Sie holten ihre Sonntagskleider aus der Graburne, nachdem sie sich im Morgentau gebadet und an der aufgehenden Sonne getrocknet hatten. Dann bestiegen sie ihre Eichh\u00f6rnchen und jagten im Galopp davon, soda\u00df sie fast als erste auf dem Festplatz erschienen. Das Erstaunen und der Jubel der Sch\u00fctzengenossenschaft war gro\u00df, als die vier Reiter anhielten und der Zwerg\u00e4lteste sich dem Sch\u00fctzenk\u00f6nig mit vielen B\u00fccklingen n\u00e4herte, indem er sich und seine Br\u00fcder vorstellte und um die Erlaubnis bat, als Zuschauer an ihrem Feste teilnehmen zu d\u00fcrfen. Das wurde mit gro\u00dfer Bereitwilligkeit getattet. Die Teilnehmerkarten verabfolgte der Kassenf\u00fchrer. Sie verpflichteten auch zum Festmahl. Darauf aber erwiderte der Zwerg\u00e4lteste, da\u00df sie an eine andere Lebensweise gew\u00f6hnt w\u00e4ren. Die hohe Festgenossenschaft m\u00f6ge ihnen daher gestatten, im Wirtshaus zum «Roten Heller» ihr eigenes Diner zu bestellen und f\u00fcr sich einzunehmen. Das wurde zur Erleichterung der Sch\u00fctzengesellschaft gern verg\u00f6nnt, die sich schon zum Essen und namentlich zum Trinken durch die wunderlichen G\u00e4ste bedr\u00e4ngt gef\u00fchlt hatte. So bestiegen die vier Zwerge nach h\u00f6flichem Abschied wieder ihre Eichh\u00f6rnchen und ritten in die Stadt zur\u00fcck, wo sie am «Roten Heller» abstiegen und den Wirt zu sprechen w\u00fcnschten. Sie trugen ihm vor, als er erschienen war, ihnen ein Festessen nach ihrer Art bereiten zu wollen, weil sie andere Gewohnheiten als die Menschen h\u00e4tten. W\u00e4hrend der Wirt mit dem Zwerg\u00e4ltesten verhandelte, waren seine kleinen T\u00f6chter Ancke und Telse erschienen, welche die kleinen possierlichen Kerlchen von Anfang an mit Interesse beobachtet hatten. Das war doch etwas anderes als die toten, leblosen Puppen, mit denen sie tagein, tagaus spielten. Diese kleinen M\u00e4nner waren so flink und beweglich, wie sie weit und breit noch nichts gesehen hatten. Und als der Vater keine gro\u00dfe Meinung von der Zubereitung des Zwergessens zeigte, zupfte Ancke ihm am \u00c4rmel und fl\u00fcsterte ihm zu, sie k\u00f6nnten ja in ihrer Puppenk\u00fcche das Essen f\u00fcr die kleinen G\u00e4ste bereiten. Sie h\u00e4tten ohnehin von der Mutter die Erlaubnis zum Zukochen am heutigen Sch\u00fctzenfest erhalten. Es w\u00e4re alles dazu vorbereitet und die Festtafel bereits im Spielzimmer gedeckt. Es brauchten nur ein paar Gedecke mehr aufgelegt zu werden, weil mit so vielen G\u00e4sten ja nicht gerechnet w\u00e4re. Das Festessen deckte sich beinahe mit den Vorschl\u00e4gen des Zwerg\u00e4ltesten. Die Stichlinge als Festbraten w\u00e4ren schon gesten gefangen und die ersten Zuckererbsenschoten aus dem Garten gepfl\u00fcckt. Auch der Schokoladenpudding mit Cremsauce zum Nachtisch w\u00e4re schon kalt gestellt. Und zum Trinken h\u00e4tte die Mutter versprochen, von ihrem s\u00fc\u00dfesten und klarsten Most zu spenden. Der Vater war mit den Vorschl\u00e4gen seiner Tochter wohl zufrieden, weil es ihn einer etwas l\u00e4cherlichen Aufgabe enthob. Er warf nur den Reitpferden noch schnell eine Handvoll N\u00fcsse zu, womit sie auf der vor dem Wirtshause stehenden hohen Linde verschwanden und dort ihr festliches Mittagsmahl hielten. Die Zwerge aber wurden von den Wirtst\u00f6chern in das Spielzimmer geleitet, das ihnen ganz ausnehmend gefiel. Sie betrachteten alles auf das genaueste: die M\u00f6bel, die f\u00fcr sie gemacht schienen, die M\u00e4rchenbilder an den W\u00e4nden, den gro\u00dfen Ofen und vor allem die Puppenk\u00fcche, an deren Herd Ancke zu hantieren begann, um das schon vorbereitete Mahl anzurichten. Es dauerte denn auch nicht lang mehr, bis sie die Suppenterrine auf den Tisch stellte. Sie enthielt legierte Lindenbl\u00fctensuppe, die herrlich duftete. Telse gab die Suppe auf und reichte jedem Gast seinen Teller. Thomas, das Nesth\u00e4kchen der Zwerge, hatte seinen Platz neben Telse gew\u00e4hlt, w\u00e4hrend f\u00fcr Ancke der Platz neben Hans, dem \u00c4ltesten, frei geblieben war. Als sie dann nach der Suppe mit den gebratenen Stichlingen und den gebutterten Zuckererbsenschoten erschien, nahm sie neben Hans Platz und bot die Speisen mit vieler Grazie an.\u00a0Zur\u00fcck<\/strong>
Die Zwerge lie\u00dfen es sich vortrefflich schmecken. Sie meinten noch nie so gut gespeist zu haben und sprachen auch dem Most geh\u00f6rig zu, der in den kleinen goldger\u00e4nderten Kristall-Puppengl\u00e4sern wie wirklicher edler Wein funkelte. Der Nachtisch, der anfangs als gegen jede Zwergengewohnheit zur\u00fcckgewiesen war, wurde von Telse, die gerade Schokoladenpudding hei\u00df liebte, so allerliebst angepriesen, da\u00df er bis zum letzten Rest und dem letzten Tropfen Cremsauce ebenso vertilgt wurde, als alles andere. Die Zwerge hatten mehr als genug getan. Sie waren ja so bescheiden und m\u00e4\u00dfig im ihren Anspr\u00fcchen. Aber sie liebten alles Sch\u00f6ne und konnten sich nicht sattsehen an dem feinen wei\u00dfen Tischtuch, dem zierlichen Puppenservice, an den kleinen silbernen L\u00f6ffeln und Gabeln, den h\u00fcbschen Gl\u00e4sern und vor allen Dingen an den kleinen M\u00e4dchen selbst. Besonders Thomas war ganz vernarrt in Telse. Er streichelte immer wieder ihre roten Backen und lie\u00df ihre blonden Z\u00f6pfe durch seine Finger gleiten. Hans war in gleicher Weise von Ancke eingenommen, und was sein Zwergenmund an sch\u00f6nen Worten zu formen wu\u00dfte, das sprach er in Dankes- und Lobeshymnen auf die Vortrefflichkeit des Mahles und die Liebensw\u00fcrdigkeit der Gastgeberinnen aus.
Ancke und Telse hatten jetzt Lust zu tanzen und \u00fcberredeten ihre G\u00e4ste, mit in den Garten zu kommen, wo sie die Musik aus dem Tanzsaal h\u00f6rten. Der Rasen war auch gerade so eben wie das Parkett des Tanzsaales. Man h\u00e4tte aber auf dem Rasen das voraus, da\u00df man nicht, wie im Saal, geschupst und gesto\u00dfen wurde.
Die Zwerge waren einverstanden, und obwohl sie nie getanzt hatten, zeigten sie sich als gelehrige Sch\u00fcler. Sie wu\u00dften sich den Schritten der M\u00e4dchen anzupassen und fanden selbst Vergn\u00fcgen an dem Drehen und Wenden im Kreise. Als es zu dunkeln gegann, meinte der vern\u00fcnftige Hans, da\u00df es nun der Freude f\u00fcr sie alle genug w\u00e4re. Sie mu\u00dften an die Heimkehr denken, weil sie morgen fr\u00fch aufstehen wollten, damit ihnen niemand beim Beerenlesen zuvor k\u00e4me, um ihre heutige Zeche zu bezahlen. Da meinte Ancke, das sollten sie nur bewenden lassen. Die Zeche w\u00e4re ihre Sache, denn alles was sie gegessen h\u00e4tten, stammte von ihnen. Die Stichling h\u00e4tten sie eigenh\u00e4ndig gefangen und die Zuckererbsenschoten aus ihrem Garten gepfl\u00fcckt. Ihr Vater h\u00e4tte also keinerlei Unkosten und M\u00fche von der Bewirtung gehabt, da sie auch weder Kellner noch Kellnerin in Anspruch genommen h\u00e4tten. Wenn sie aber Mutter f\u00fcr den Most schadlos halten wollten, k\u00e4men sie einmal zum Erdbeerpfl\u00fccken in den Wald. So wurde denn vor dem baldigen Aufbruch der Zwerge beschlossen, da\u00df Ancke und Telse gleich morgen in aller Fr\u00fche herauskommen sollten, weil gerade die sch\u00f6nste Erdbeeerenzeit war. Und das geschah denn auch. Ancke und Telse kamen mit ihren Puppenwagen und etlichen K\u00f6rben. Alles wurde voll, so da\u00df die Magd, die Ancke und Telse abholte, sich nicht genug wundern konnte. Sie meinte, nie so viele Beeren gesehen zu haben und die Mutter lobte zu Hause die Gr\u00f6\u00dfe und k\u00f6stliche Reife der Beeren.\u00a0Zur\u00fcck<\/strong>
Die Freundschaft der Wirtsleute vom «Roten Heller» mit den Unterirdischen wurde mit der Zeit sprichw\u00f6rtlich im Dorf, zumal die Wirtsleute zusehends wohlhabend wurden. Man munkelte, da\u00df die Unterirdischen ihnen Gold und Silber zusteckten, \u00fcber das sie aus dem Innern der Erde verf\u00fcgen sollten. Das war aber nur leeres Geschw\u00e4tz, die Unterirdischen halfen auf ganz nat\u00fcrlichem Wege, wie sie das immer getan haben. Sie verstanden sich auf die Vorteile, die aus Feld und Wald zu ziehen sind, und gaben den Wirtsleuten davon Anleitung, wie nicht minder, wachsam, n\u00fcchtern, arbeitsam und m\u00e4\u00dfig zu sein.
Auch als Ancke und Telse erwachsen waren und selbst Frauen und M\u00fctter wurden, blieben sie den unterirdischen Freunden treu, die immer \u00e4lter und kleiner wurden. Sie schrumpften ein wie Pilze, meinte Telse einmal, als sie mit Ancke am H\u00fcnengrab gewesen. Das war am Ostersonntag. Als sie um Pfingsten wiederkamen, trafen sie nur Thomas bitterlich weinend an. Er erz\u00e4hlte den Schwestern, da\u00df die Br\u00fcder nacheinander in einer Woche gestorben w\u00e4ren. Sie h\u00e4tten wie welke Bl\u00e4tter den Kopf geneigt und w\u00e4ren verschieden. Er h\u00e4tte einige M\u00fche gehabt, die erstarrten K\u00f6rper alle in eine Urne zu betten, wie es ihr Wunsch gewesen. Da er aber wohlbedachtsam die gr\u00f6\u00dfte der vorhandenen Urnen gew\u00e4hlt h\u00e4tte, w\u00e4re nun auch noch Platz f\u00fcr ihn neben den toten Br\u00fcdern.
Ancke und Telse waren ger\u00fchrt von der br\u00fcderlichen Liebe und versprachen Thomas, jedes Jahr zu Ostern oder Pfingsten nach dem H\u00fcnengrab zu kommen und die Zwergenurne mit Blumen zu schm\u00fccken. Das haben sie auch gehalten und nicht nur bis ans Lebensende. Auch ihre Kinder und Kindeskinder haben noch den Unterirdichen die Treue gehalten, was ihnen weiter wohl bekommen ist.
Das aber ist nun auch schon so lange her, da\u00df es als Sage erz\u00e4hlt wird. Und auch der Riesewohld im Dithmarscher Land, wo diese letzten Unterirdischen gewohnt haben, ist selbst zur altersgrauen Sage geworden. Es ist sonst auch rein nichts von ihm \u00fcbrig geblieben. Und in der Urne, die einst die K\u00f6rper der vier Zwerge barg, ist zuletzt auch nichts mehr zu sehen gewesen als ein bi\u00dfchen Spinnweb. Das haben die Enkelkinder von Ancke und Telse erz\u00e4hlt, und die m\u00fcssen es ja wissen, weil sie die allerletzten waren, die in Beziehung zu den Unterirdischen standen.<\/p>\n\n\n\n

von Helene H\u00f6hnk, Marne\u00a0Zur\u00fcck<\/strong><\/p>\n\n\n\n


<\/a>Dat Nordhastedter Frunsbeer<\/p>\n\n\n\n

Alle dree Johr hebbt de Frunsl\u00fc\u00fcd een grot Fest in Nordhastedt. An letzten oder v\u00f6rletzten S\u00fcnndag v\u00f6r Jehanni is dat fastleggt. De Fruns hebbt dat Regeer\u00b4n.
So s\u00fcnd de Statuten:
Veer Schaffer mit s\u00fcm Fruns, de Schafferinnen s\u00fcnd de Anf\u00f6hrer vun dat Fest. Se w\u00e4hlt sick een Tapper, de f\u00f6r de Brannwienkanns tost\u00e4nnig is. Schaffer kunn blots warr\u00b4n, de een egen Huus harr un dat Fest tomin\u00b4st eenmol mitfiert harr. To\u00b4t Fest toloten worr\u00b4n: All de Nordhastedter, over se mussen verheirodt ween!
Ut Wester- un Osterwohld kunnen de Inwohner ok komen, stunnen over nie mit op de List, de v\u00f6rher all umgoh\u00b4n weer. De Utw\u00e4rtigen mussen an de Kass Intritt betohl\u00b4n. Dat Amt vun de Schaffersl\u00fc\u00fcd gung in\u00b4t D\u00f6rp vun Huus to Huus no ole Regeln, so as fr\u00f6her de Buurnstock umgung.
In ole Drachten weer\u00b4n de Schaffersl\u00fc\u00fcd kleed. To\u00b4t Fest keem de Musikkapell un se worr\u00b4n affholt no dat Festlokol. Veel Minschen weer\u00b4n dor op de Been, ok in Dracht. Nu gung de Umtog d\u00f6r dat ganze D\u00f6rp, wat smuck mokt weer mit veel Gr\u00f6\u00f6ns un all de Flaggen. \u2013 So warr\u00b4t dat to jedeen Fest hool\u00b4n.
V\u00f6r den Tog dregt se dat Wappen un een groten Pant\u00fcffel. De T\u00fcffel hangt loter in den Sool \u00fcnner\u00b4n B\u00f6\u00f6n bet Klock tw\u00f6lf. So lang hebbt de Frunsl\u00fc\u00fcd dat Seggen. Se fellert de Mannsl\u00fc\u00fcd to Danz op un s\u00fcnd recht fliedig togangen.\u00a0
In de Pausen givt vun de Schaffers Brunbeer un K\u00f6\u00f6m, all\u00b4ns umsunst f\u00f6r de Festg\u00e4st. Is no\u00b4t Gelag noch Geld in de Kass, warr\u00b4t an L\u00fc\u00fcd geven, de dat bruken k\u00f6nt. \u2013 Beten hebbt sick de olen Regeln \u00e4nnert, so warr\u00b4t dat Verheirodtween nie mehr so streng in unse Tied nohm.
De Hastedter Fruns hebbt ehr Fest, een recht vergn\u00f6gt Fest, wat dat sunst in keeneen D\u00f6rp givt. Wos\u00fcck is dat in de Gangen komen? Mutt doch een Grund hebb\u00b4n!
As no Allerhillgen in dat Johr 1648 de Klocken l\u00fcden un den Freden verk\u00fcnnen, weer dat f\u00f6r de Minschen meist nie to gl\u00f6ven. No d\u00f6rtig Johr Krieg schull nu Freden ween? De Krieg to Enn? Over wo seeg dat ut in uns Land? De Suldoten, de S\u00f6ldner wussen nie wohin.Wovun schull\u00b4n se leven? Se weer\u00b4n dat wenn\u00b4t worr\u00b4n in all de Johren, sick to nehmen wat se wullen, lehrt harr\u00b4n se blots dat Kriegshandwark. Su\u00b4n wille Horden str\u00f6mern d\u00f6r de D\u00f6rper un r\u00e4uvern, schuun sick v\u00f6r een Doodslag ok nie tor\u00fcch, so as se dat \u00fcnner de Hannen keem. In den riesigen Rieswohld harr sick een Bann fastsett. Bi Quellental h\u00fcsen se in een grote H\u00f6hl, un keeneen kunn se wat anhebben in s\u00fcm Eerlock.
Dat weer\u00b4n d\u00e4n\u00b4sche un holsteen\u00b4sche S\u00f6ldner, de \u00fcmmer noch meenen, dat R\u00e4uvern dat d\u00e4glig Brood un dor\u00f6ver weg all\u00b4ns op lichte Ort un Wies to kriegen weer. \u2013 In D\u00fcstern full\u00b4n se \u00f6ver de D\u00f6rper her, setten de L\u00fc\u00fcd in Angst un Schrecken, stool\u00b4n wat se bruken kunnen. In Nordhastedt slepen se den rieken un angeseh\u00b4n Buurn Claas Carstens weg un sparr\u00b4n em bi sick in\u00b4t Lock. Twee vun sien Knech\u00b4en deen se Gewalt an, trakteer\u00b4n se mit Treed un Sl\u00e4g. An anner\u00b4n Dag leten se een weller lopen. He schull L\u00f6sgeld f\u00f6r sien Buurn hol\u00b4n. He brocht dat Geld, liekers leten de Banditen Claas Carstens nie frie.\u00a0Zur\u00fcck<\/strong>
Een vun de Knech\u00b4en kreeg dat torecht un he kunn weglopen. He vertell de Hastedter, dat de R\u00e4uvers \u00fcnnerwegens weer\u00b4n no Hanerau to, blots een poor Oppassers harr\u00b4n se dorloten. Peter Jessen weer een groten, breden, starken Mann mit Kraft un een ansl\u00e4gschen Kopp. He worr de F\u00f6hrer vun de Hastedter. Se sleken no de H\u00f6hl. Mit Biel hau\u00b4n se de Gef\u00e4ngnisd\u00f6\u00f6r open un hol\u00b4n Claas Carstens \u00b4rut. Denn r\u00f6kern se dat Lock ut, brennen dee dat lichterloh!
De rugen Gesell\u00b4n keemen tor\u00fcch. De Tog harr sick lohnt un se wull\u00b4n in de Schankwirtschaft in Hogenhain an den Weg no Alversd\u00f6rp sick geh\u00f6rig wat d\u00f6r de Kehl jogen, denn de Kr\u00f6ger weer j\u00fcst so\u00b4n Halunk as se un mokt dat Spill mit. He kofft vun dat R\u00e4uvergod wat aff un levt ganz god dorvun.
Se weer\u00b4n all an\u00b4t Gr\u00f6hl\u00b4n, dor worr de D\u00f6\u00f6r opreten un een vun de Wachl\u00fc\u00fcd st\u00f6rt \u00b4rin un vertell. De hitte Wut steeg den Hauptmann to Kopp. De Supp weer noch nie eten! De ganze Horde trockt nu aff no Hastedt to.
De Buurn harr\u00b4n dormit rekt! Mit Biel\u00b4n, Messen un Leen (Sensen) setten se sick to Wehr, v\u00f6rut Peter Jessen, de nie bang weer. Wat schullen se utrichten gegen dat wille K\u00f6ppel? Tor\u00fcch mussen se wieken! De R\u00e4uvers weer\u00b4n in\u00b4t D\u00f6rp! \u2013 Steeken een Jungen dol! \u2013 All wussen se, dat gung op\u00b4t Leven un Dood!
Nu weer dat de Tied, wo de Frunsl\u00fc\u00fcd to Obendbrot den hitten Gr\u00fcttputt op\u00b4t F\u00fc\u00fcr harr\u00b4n, nie blot de Gr\u00fctt, ok grote Ketels mit koken Woter. Wenn de F\u00fc\u00fcrherd gl\u00f6nig b\u00f6tt weer, muss de Hitten ok brukt warr\u00b4n f\u00f6r anner Putt un Pann.
Peter Jessen stunn v\u00f6r sien Huus un wuss sick nie mehr to wehr\u00b4n. He seeg den R\u00e4uverhauptmann mit sien bl\u00f6dig Swert op sick tokomen. Woher schull he noch de Kraft nehmen? Vun\u00b4t K\u00f6kenfinster ut harr sien Frau Maria vull Bangen dat anseh\u00b4n. De Noot vun ehr\u00b4n Mann!
Ohn veel Nodenken reet se den Gropen mit Gr\u00fctt vun Herd un sleuder den R\u00e4uver den kokenhitten Brie \u00f6ver\u00b4n Kopp, in\u00b4t Gesicht, in de Ogen! De hul op v\u00f6r Wehdoog un w\u00fclter sick an de Grund. Peter Jessen sloog em dat Genick aff.
De anner\u00b4n Fruns harr\u00b4n dat mit anseh\u00b4n. All lepen se no den Briegropen un moken dat no. \u2013 Vertellt worr, de \u00d6llst weer \u00f6ver tachendig un de J\u00fcngst j\u00fcst s\u00f6bentein un droog hoch wat \u00fcnner de Sch\u00f6rt. De Mannsl\u00fc\u00fcd foten nieden Moot, as de Fruns s\u00fcm to H\u00f6lp kemen.
De Hauptmann weer doot, de anner\u00b4n harr\u00b4n keen F\u00f6hrer mehr un fl\u00fcch\u00b4en no de Schankwirtschaft. \u2013 De Hastedter achterran mit Brandfackeln! Se moken een Krink um den Krog un smeten den Brand no\u00b4t Dack hoch. Dat brenn as H\u00f6ll\u00b4nf\u00fc\u00fcr! All, de nie versmoorn wullen un no buten dr\u00e4ngen, worr\u00b4n bunnen un bi de Katharinen-Kark an de hoogen B\u00f6\u00f6m opkn\u00fctt.
De Paster keem dorto un sprook vun Gott\u00b4s Wunner. \u2013 Een reep: «Ne, uns Frunsl\u00fc\u00fcd hebbt uns holpen! Dat is wohr, uns Frunsl\u00fc\u00fcd weer\u00b4n dat!» Claas Carstens tree no v\u00f6rn, heel sien Geldpoos hoch un schall seggt hebben: «Uns Fruns to Ehr w\u00fcllt wi een Fest fiern. Dat schall dat Frunsbeerfest ween. Jedeen stift een Doler dorto.» So s\u00fcnd de Nordhastedter Fruns to s\u00fcm Fest komen! De R\u00e4uverkuul is noch to finnen bi Quellental in den Rieswohld.<\/p>\n\n\n\n

Opschreven vun Anne-Marga Sprick, Mai 2004\u00a0Zur\u00fcck<\/strong><\/p>\n\n\n\n


<\/a>Das Nordhastedter Frunsbeer<\/p>\n\n\n\n

1648, am Ende des 30j\u00e4hrigen Krieges, wurde auch in Dithmarschen die Friedensglocken gel\u00e4utet. In dulci jubilo hie\u00df es, doch wenig Grund zur Freude hatten die Nordhastedter, denn sie trugen schwer an den Folgelasten des Krieges.
Verkommen, ohne Sold und kriegsf\u00fchrenden Herren, trieb sich ein Haufen entlassener Landsknechte in dem riesigen Wald, dem Riesewohld, umher, der bis nahe an das Dorf reichte. Beim Quellenthal hatten sie ihre H\u00f6hle, und niemand konnte ihnen etwas anhaben. Kriegserfahren und bewaffnet — so waren sie den Bauern Nordhastedt’s \u00fcberlegen. Ihr Hauptmann hie\u00df Peter Baas, ein Hauptmann, der ehemals bei den Lauenburgischen gedient hatte, und sein Gefolge waren d\u00e4nische, hansische und holsteinische S\u00f6ldner.
Dieser wilde Haufen wurde zum Schrecken der Umgebung. Reisende, Wagenz\u00fcge, Einzelgeh\u00f6fte und ganze D\u00f6rfer wurden \u00fcberfallen und ausgraubt.
Eines Nachts fielen sie, wie schon manches Mal zuvor, in Nordhastedt ein, raubten und t\u00f6teten, wer ihnen Widerstand leistete. Sie entf\u00fchrten den reichen und angesehen Bauern Klaus Carstens, dessen Vorfahren zu den Regenten Dithmarschens geh\u00f6rt hatten, als Geisel in die H\u00f6hle. Zwei seiner Knechte nahmen sie mit. Am anderen Abend schickten sie einen zur\u00fcck mit der Forderung nach L\u00f6segeld. Die Nordhastedter trafen sich bei der Kirche und hielten Rat, doch wu\u00dften sie kein Mittel, den R\u00e4ubern beizukommen. Schlie\u00dflich sammelten sie das verlangte L\u00f6segeld und schickten den Knecht damit zur\u00fcck. Doch Klaus Carstens kam nicht frei.
Wenige Tage sp\u00e4ter konnten die beiden Knechte entlaufen und erreichten gegen Morgen das Dorf. Sie brachten die Kunde, da\u00df die S\u00f6ldner zu einem Raubzug nach Hanerau unterwegs seien und bei der H\u00f6hle nur eine kleine Gruppe als Wache l\u00e4ge. Das gab den Nordhastedtern Mut. Angef\u00fchrt von Peter Jessen, einem tatkr\u00e4ftigen Mann, zogen sie in den Riesewohld, schlichen sich an die R\u00e4uberh\u00f6hle und verjagten die zur\u00fcckgebliebenen S\u00f6ldner, die in den Wald fl\u00fcchteten. Sie befreiten Klaus Carstens und warfen brennende Pechfackeln in die H\u00f6hle, in der es bald lichterloh brannte. Wie die vom Beutezug zur\u00fcckkommenden S\u00f6ldner, schon gewarnt von ihren Kumpanen, die Zerst\u00f6rung sahen, packten sie ihre Waffen und zogen mit Gebr\u00fcll durch den Wald nach Nordhastedt.\u00a0Zur\u00fcck<\/strong>
Die Bauern hatten sich vor ihrem Dorf aufgestellt und manchem von ihnen mag angst und bange geworden sein. Doch Peter Jessen, der als erster dem Feind entgegentrat, mag ihnen ein mutiges Beispiel gewesen sein. Mit \u00c4xten, Sensen und Hellebarden droschen sie auf die Landsknechte ein, die alles andere als solchen Widerstand erwartet hatten.
Doch so tapfer sich die Nordhastedter auch schlugen, die S\u00f6ldner waren ihnen \u00fcber, und Schritt um Schritt wurden sie zum Dorf zur\u00fcckgedr\u00e4ngt. Es war um die Abendbrotzeit, und in allen H\u00e4usern stand die Sch\u00fcssel mit Gr\u00fctzbrei auf dem Feuer. Der S\u00f6ldnerhauptmann wollte jetzt den Durchbruch erzwingen, und dort wo Peter Jessen stand die Bresche schlagen.
Vom K\u00fcchenfenster aus hatte Peter Jessens Frau dem ungleichen Kampf voller Angst und Schrecken zugesehen. Als ihr Mann zu wanken begann, ri\u00df sie ohne Nachdenken den Gr\u00fctztopf vom Herd, rannte aus der T\u00fcr und schleuderte dem S\u00f6ldnerhauptmann den kochenden Brei ins Gesicht. Beblendet und heulend vor Schmerz kr\u00fcmmte er sich am Boden und konnte von Peter Jessen erschlagen werden.
Als die anderen Frauen sahen, da\u00df Maria Jessen mutig in den Kampf eingriff, folgten sie ihrem Beispiel. Wie L\u00f6winnen st\u00fcrzten sie sich in das Geschehen, eine jede den Gr\u00fctztopf unterm Arm und ehe die S\u00f6ldner sich’s versahen, flog ihnen der hei\u00dfe Brei ins Gesicht, da\u00df ihnen H\u00f6ren und Sehen verging. Die Nordhastedter bekamen neuen Mut und die S\u00f6ldner, denen der Anf\u00fchrer fehlte, wichen zur\u00fcck. Sie begannen schlie\u00dflich zu fliehen, und die meisten wurden dabei erschlagen.
Den Frauen zu Ehren, die Leben und Gut gerettet hatten, wurde ein gro\u00dfes Fest gefeiert, bei dem die Frauen M\u00e4nnerrecht bekamen. Sie durften sich Bier einschenken, soviel sie wollten, tanzen, mit wem sie wollten und regieren bis Mitternacht.
Das Frunsbeerfest wird seither alle drei Jahre am Sonntag nach Johanni gefeiert, bis auf den heutigen Tag.<\/p>\n\n\n\n

nach Waldemar Krause, Alte Geschichten aus Dithmarschen (gek\u00fcrzt und \u00fcberarbeitet)\u00a0Zur\u00fcck<\/strong><\/p>\n\n\n\n


<\/a>De Fieffinger-Linn\u00b4 in Rieswohld<\/p>\n\n\n\n

Merr\u00b4n in de gr\u00f6ne Lung\u00b4n vun Dithmarschen in den Rieswohld steiht een groten Linnenboom, urold, m\u00e4chtig un seltsom wussen. Ut den dicken Stamm s\u00fcnd fief Twiegen, grot as B\u00f6\u00f6m, no boben hochwussen.- As een Hand reckt sick de Linn\u00b4 toh\u00f6cht. Dat gewaltig Wurtelwark h\u00f6llt ehr, givt ehr Kraft, \u00f6ver veele Minschengeneratschoons weg. Wiet un siet heet de Boom: «De Fieffinger-Linn!»
Um d\u00fcsse Linn rankt sick een Geschicht, een Vertell\u00b4n, wat grulig is.
In dat D\u00f6rp Odderod geev dat mol een smucke Deern. Se heel de Mannsl\u00fc\u00fcd wull een beten to\u00b4n Narr\u00b4n. \u2013 Ehr Mudder weer storven. Vun ehr\u00b4n Vadder weer se vertrocken worrn, he leet veel glieden bi sien Dochter. Oftmols gung se to Danz, keem over \u00fcmmer to rechten Tied no Huus, kloppt bi Vadder an de D\u00f6\u00f6r, dormit he sick nie sorgen dee. Op een S\u00fcnndag weer\u00b4t! Se keem nie! \u2013 De Komer weer leer, dat Bedd noch opmokt!\u00a0
Den Vadder sloog dat Hart swor in de Boss. He kreeg dat Bangen um sien Deern. He leet sien S\u00f6\u00f6ns hol\u00b4n, Knechen dorto! In den Krog harr\u00b4n de L\u00fc\u00fcd se noch danzen sehn, mol mit een un mol mit\u00b4n anner\u00b4n. Mehr weer nie ruttokriegen.
Un nu gung dat S\u00f6ken los! \u2013 Dat Holt um Odderod \u00b4rum is grot un dicht no Hollenborn to, no Rieswohld un no Alversd\u00f6rp hin, ok h\u00fc\u00fct noch. Vull Opregen st\u00f6vern de Odder\u00f6er d\u00f6r den Wald, repen \u00fcmmer weller lud no de Deern. \u2013 Swor weer\u00b4t hier een Minschen to finnen.
Denn seegen se ehr op\u00b4t gr\u00f6ne Moos liggen. \u2013 Doot! Mit Plackens an Hals, de vun\u00b4t W\u00f6rgen herr\u00f6hr\u00b4n. \u2013 Seltsom! De Hannen harr se foold, Blomen dorin leggt. De Vadder kunn sick v\u00f6r Truur un Wehdoog gorni h\u00f6lpen. Ok de anner\u00b4n harr dat angrepen. Se stunnen dor un kunnen dat nie foten, dat de junge Deern ohne Leven dor in\u00b4t Moos s\u00fcm to F\u00f6ten leeg.
Dat f\u00f6gt sick, dat een Mann op den Padd d\u00f6r\u00b4t Holt lang keem. Sien T\u00fc\u00fcch weer tweireten, weer\u00b4n Pl\u00fcnnen. He seeg no een Rumdriever ut, weer over een «Beddelstudent», as man loter weten dee. Geev je veel arme L\u00fc\u00fcd dotomol\u00b4n, de op de Landstroot leegen un sick vun\u00b4t Beddeln n\u00e4hr\u00b4n.
Nu, d\u00fcsse arme D\u00fcvel worr\u00b4t forts wies, wat sick dor affspeel un he wull weglopen. Dat Mannsvolk weer achter em to jogen un se harr\u00b4n em tofoten. Se slepen em no den vertwievelten Vadder, de in de Kneen blangen sien Dochder leeg un klogt un ween. Vun Wieden worr em all toropen, dat se den Mordboov fungen harrn. \u2013 Dat Blood leep den jungen Mann \u00f6ver\u00b4t Gesicht, he seeg ok sunst slimm ut mit Filz in Hoor un Bort, de Hannen swatt. He worr no de dode Deern dreven un se sproken, dat he de M\u00f6rder weer, de ehr w\u00f6rgt harr. He streed all\u00b4ns aff, dat n\u00fctzt em nix.\u00a0Zur\u00fcck<\/strong>
Een ut dat K\u00f6ppel hett denn seggt, dat he bi Gott un de Hilligen sw\u00f6\u00f6rn schull! So kunnen se em nie gl\u00f6ven. \u2013 In all sien Bangen un Noot b\u00f6rr he de linke Hand hoch to\u00b4n Swuur. \u2013 De linke Hand! \u2013 V\u00f6r em weer\u00b4t dat Gottesurdeel! So s\u00e4\u00b4n se.
Een vun de Knechen harr een Str\u00e4ng bi sick un ohn lang to taltern worr he an een Boom opbummelt. As se em de Sling vun den Str\u00e4ng um den Hals leen, reep de Student in sien Angst: «D\u00fcsse Hand hett wohr sw\u00f6rt un j\u00fcm warrt dat nie vergeten.»
He worr gliek in\u00b4t Holt inschort.
De erste Roosch vun de L\u00fc\u00fcd harr sick leggt. De trurige Tog mit de Liek vun de Deern gung no\u00b4t D\u00f6rp tor\u00fcch. Dor is nix so fien spunn\u00b4, dat kumt doch all an de S\u00fcnn!
Een halv Johrhunnert vergung wull. De Nover vun de ungl\u00fcckliche Deern weer old worrn, he f\u00f6hl, dat gung mit em to Enn. He wull den Paster an sien Bedd hebb\u00b4n, wull noch wat los warrn, wat em dr\u00fccken dee. De Prester kunn so gau nie komen, un so vertell de ole Buur de Fru vun sien S\u00f6\u00f6n, dat he een swore Schuld mit sick d\u00f6r\u00b4t Leven sleep harr.
In junge Johr\u00b4n weer he vull Leev f\u00f6r een smucke Deern ween. Se harr em um sien kloren Kopp brocht, harr em mit to Holt nohmen, em Hoffnungen mokt, denn wat utlacht un em tor\u00fcch st\u00f6tt. He weer vun Sinnen un Verstand ween, harr de Hannen um ehr\u00b4n weken Hals leggt un nie los loten, bet keen Leven mehr in ehr seet. Leed harr em dat forts doon. De Hannen harr he ehr foold un Waldblomen dorin leggt.
Op de Steed, wo de unsch\u00fcllige Minsch hinricht weer, wu\u00df\u00b4 mit de Johr\u00b4n een Linn\u00b4boom ut de Eer, de sick noch vundog mit sien fief Twiegen as to\u00b4n Swuur no\u00b4n Heven reckt. He w\u00fcll seggen, dat de Minschen s\u00fcm Urdeel \u00f6verdenken sch\u00fcllt, bev\u00f6r se hannelt un Schuld nie to doppelte Schuld warrt.
Dat Holt, wonehm de Linn\u00b4steiht, h\u00f6rt de Odder\u00f6er to. Wenn in\u00b4t D\u00f6rp flaggt warrt, denn is de Fieffinger-Linn op s\u00fcm Fohn to sehn. De Boom warrt ok vundog noch vun m\u00e4nnig Wannersl\u00fc\u00fcd to Foot un mit Fohrrad bes\u00f6cht. \u2013 Dat Natur-Wohrteken in Rieswohld!<\/p>\n\n\n\n

Vertellt op Plattd\u00fctsch vun Anne-Marga Sprick, Bargenstedt\u00a0Zur\u00fcck<\/strong><\/p>\n\n\n\n


<\/a>Die Sage von der F\u00fcnffingerlinde<\/p>\n\n\n\n

Mitten im Riesewohld steht eine Linde, die als F\u00fcnffingerbaum gewachsen ist und in keinem Teil von der Form einer menschlichen Hand abweicht. Die Sage berichtet von der Schwurhand eines unschuldig Gerichteten.
Im Dorfe Odderade wuchs vor Zeiten ein M\u00e4dchen auf, das ungew\u00f6hnlich h\u00fcbsch, aber genau so hochn\u00e4sig und sp\u00f6ttisch war. Sie mochte es wohl, wenn man ihr sch\u00f6ne Augen machte, aber es wurde nie etwas Ernstes daraus, weil keiner der Burschen ihr gut genug war. Eines Abends kam sie vom Tanze nicht nach Haus und der besorgte Vater lie\u00df sie \u00fcberall suchen. Zuletzt ging man auch in den Wald und fand sie tot unter einem Baum im Moos liegen, die H\u00e4nde gefaltet, mit einem Blumenstrau\u00df darin. Des Vaters Schmerz und der Anblick des toten M\u00e4dchens r\u00fchrten die M\u00e4nner, die dabei standen.
W\u00e4hrend sie noch ratsuchend herumstanden, sahen sie einen Mann auf dem Waldpfad daherkommen. Es war ein wandernder Bettelstudent in abgerissener Kleidung, der einen geh\u00f6rigen Schrecken bekam, als er die M\u00e4nner, die er f\u00fcr Wegelagerer hielt, so pl\u00f6tzlich vor sich sah. Er drehte sich auf dem Absatz um und floh den Weg zur\u00fcck, den er gekommen war. Alle liefen ihm nach und hatten ihn bald gepackt und zu Boden gerissen, da sie glaubten, da\u00df er der M\u00f6rder sei. Seine Flucht schien ihnen sicherer Beweis. Sie schleppten ihn zur Leiche des M\u00e4dchens und beschuldigten ihn der Tat. Seinen Unschuldsbeteuerungen schenkten sie keinen Glauben. Als jemand verlangte. er solle bei Gott und allen Heiligen schw\u00f6ren, da\u00df er weder der M\u00f6rder sei, noch diesen kenne, hob er in seiner Angst und Verwirrung die linke Hand statt der rechten zum Schwur. Das wurde als Gottesurteil verstanden und bevor man ihn an einer Linde aufh\u00e4ngte, rief er noch: » Diese Hand hat vor Gott die Wahrheit beschworen und zum Zeichen meiner Unschuld soll eine Hand aus meinem Grabe wachsen.»
Jahre sp\u00e4ter f\u00fchlte ein Nachbar des toten M\u00e4dchens sein Ende kommen und wollte sein Gewissen erleichtern. Der Pastor war verhindert und so erz\u00e4hlte er seiner Schwiegertochter die Schuld, die er ein Leben lang mit sich herumgetragen hatte. Ein M\u00e4dchen hatte ihn, als er jung war, vom Tanzboden in den Wald gelockt, ihn vor Liebe und Begehren toll gemacht und dann sp\u00f6ttisch zur\u00fcckgesto\u00dfen. Da hatte er sie wie von Sinnen und ohne eigenes Wollen am Halse gepackt, bis sie leblos dalag. Er gab ihr Blumen in die Hand, ging wieder zum Tanzsaal und tat, als ob nichts geschehen sei.
Dort aber, wo man den unschuldigen Scholaren vergraben hatte, wuchs mit den Jahren eine f\u00fcnffingrige Linde aus dem Boden, die sich noch heute wie eine zum Schwur erhobene linke Hand in den Himmel reckt.<\/p>\n\n\n\n

nach Waldemar Krause, Alte Geschichten aus Dithmarschen (gek\u00fcrzt und \u00fcberarbeitet)\u00a0Zur\u00fcck<\/strong><\/p>\n\n\n\n


<\/a>De Saag vun den Harkesteen bi R\u00f6st<\/p>\n\n\n\n

Een groten Findling liggt bie Hollenborn in’t Holt, een riesigen Steen op een romantische Steed in Harkegrund, vull vun inhaute L\u00f6cker. Dat is de Harkesteen oder Hertasteen. Ganz seker is dor in heidnische Tieden een Kultplatz ween. In v\u00f6rchristliche Tied hebbt de Minschen an so\u00b4n Steden ehr G\u00f6dder anbed, villicht ok Opfer brocht, Planten-, Tier-, ok Minschenopfer? Wer weet dat? \u00dcmmer hebbt de L\u00fc\u00fcd all dor\u00f6ver nodacht, wat wull op so’n Ort sick affspeelt hett, un Geschichten rankt sick ok um d\u00fcssen Steen. 
Dor weer een Knecht, de deen bi een Buurn in Tensb\u00fcttel, un he h\u00f6d de K\u00f6h in’t Noor\u00b4n vun’t D\u00f6rp. He worr wies, dat em een Koh affhand’n komen weer, een witte Koh, un he fung an to s\u00f6ken. 
Dor seeg he wat Helles in Harkegrund. Dat weer all schummerig, un he gung dorop to un seeg, dat weer een smucke Deern in een hell Kleed. Se frogt em, ob he ehr lieden much. Dat much he jo bannig gern. Se vertell em, dat he ehr erl\u00f6sen kunn, denn se weer een verwunschen Prinzessin. He schull man wellerkomen, un denn kunn’ se beid in ehr Slott leven, deep \u00fcnner de Eer. He schull over keeneen wat dorvun segg’n, anners weer de Zauber weg. Dorno weer se verswunnen.
De Knecht weer ganz d\u00f6r’nanner. De Koh funn he. Obends kunn he nie to Ruh komen; he gung gliek in sien Komer to Bett, funn over keen Sloop. Sien Bettkamerod full dat op un frogt \u00fcmmer weller no, wat he harr. He wull jo nix noseggen, over den annern Obend vertell he dat doch. He snackt vun de verwunschen Prinzessin un dat Slott, un wat he ehr erl\u00f6sen kunn. Sien Kamerod mu\u00df em verspreken, dat he alln’s bi sick beheel. He versprook dat, un beide sleepen to. 
An annern Dag gung de Knecht no dat Holt, no de Steed, wonehm de feine Deern ween wull. \u2013 
De Knecht worr nie weller sehn. He worr s\u00f6cht vun sien Kamerod; ok de Buur un D\u00f6rpsl\u00fc\u00fcd gungen mit los, funnen an de Steed blot de Schoh vun em v\u00f6r een groten Riesensteen.
Sietdem vertellt de L\u00fc\u00fcd sick, dat he vun de G\u00f6ddin Harke todeckt worr mit d\u00fcssen Steen, woans he sien Swiegen broken harr.
De Steen worr nie anr\u00f6hrt, denn man gl\u00f6\u00f6v, wer sick an den Steen vergreep, de schull vun een Blitz dropen warrn. \u2013
As denn v\u00f6r hunnert Johr de Schotterstroot no Alversd\u00f6rp but worr, dor brukt man barg Steen, un ok d\u00fcssen Findling schull dorto uteenanner haut warrn.
Johann Hebbel ut S\u00fcderhastedt wull dat moken. He wuss dorvun, dat he sick een Gefohr utsett. He lacht, drunk noch in Tensb\u00fcttel poor Grog in’n Krog, nehm sien Sack mit Homer un Betel un s\u00e4: «Nu hau ick den ol\u00b4n Steen in Dutten».
Dat weer een ganz hitten Sommerdag, un nie lang duur dat, dor rummel dat in’ne Fern. Johann Hebbel weer bi de Arbeit un k\u00fcmmer sick nie dorum. Dat Gewidder keem neeger, de Blitze \u00fcmmer greller, un no een gewaltigen Dunnerslag verloor Johann Hebbel de Nerven. He smeet Homer un Betel in sien Sack un mokt, dat he wegkeem.
Loter weer he d\u00f6r nix to bewegen, d\u00fcssen Steen weller antor\u00f6hr\u00b4n. \u2013 So liggt nu noch \u00fcmmer d\u00fcssen groten Findling op den Harkegrund, vull vun Betell\u00f6cker, over sunst heel un ganz.<\/p>\n\n\n\n

1959 von Hans Beeck; in’s Plattdeutsche \u00fcbertragen 2002 von Anne-Marga Sprick, Bargenstedt\u00a0Zur\u00fcck<\/strong><\/p>\n\n\n\n


<\/a>Der Harkestein<\/p>\n\n\n\n

Die Sage vom Harkestein erz\u00e4hlt von einer Zeit, als die L\u00e4ndereien der Bauern von R\u00f6st noch nicht eingez\u00e4unt waren und das Vieh des ganzen Dorfes noch Tag f\u00fcr Tag auf der ganzen Feldmark geweidet wurde. Eines Tages trieb der Hirte die ihm anvertrauten Tiere in den R\u00f6ster Wald. Als es jedoch Abend wurde, fehlte eine wei\u00dfe Kuh. Trotz aller Suche mu\u00dfte der Hirte ohne das Tier in das Dorf zur\u00fcckkehren. Der Besitzer des Rindes war jedoch zornig und verlangte von ihm, da\u00df er weitersuche. Also mu\u00dfte er erneut in den Wald.
Bei fahlem Mondlicht drang er immer tiefer in das Geh\u00f6lz und gelangte schlie\u00dflich in den Harkegrund. Pl\u00f6tzlich schien die Lichtung taghell erleuchtet und eine sch\u00f6ne Frauengestalt gab sich dem vor Schreck erstarrten Hirten als G\u00f6ttin Harke zu erkennen. Der junge Mann fand schlie\u00dflich seine Sprache wieder und erkl\u00e4rte, warum er in den Wald eingedrungen war und da\u00df er es nicht bereue. Noch nie h\u00e4tte er ein so sch\u00f6nes Wesen gesehen. Auch Harke fand Gefallen an dem Irdischen, erkl\u00e4rte ihm aber, da\u00df er sterben m\u00fcsse, wenn er ihr Geliebter werden wolle. Der Hirte war so \u00fcberw\u00e4ltigt, da\u00df er f\u00fcr den Tod bereit war. Es qu\u00e4lte ihn nur der Gedanke, da\u00df sein K\u00f6rper unbestattet liegen bleiben k\u00f6nnte. Auch wollte er noch Abschied nehmen von seinem Kameraden, mit dem er die Kammer geteilt hatte. Die G\u00f6ttin versprach ihm, seinen K\u00f6rper zu bestatten und ihm ein Denkmal zu setzen, da\u00df keine Menschenh\u00e4nde mehr entfernen k\u00f6nnten.
Mit der wei\u00dfen Kuh, die wieder aufgetaucht war, kehrte der gl\u00fcckselige Hirte wieder ins Dorf zur\u00fcck. Seinem Kameraden erz\u00e4hlte er die Geschichte, der war jedoch schon so schl\u00e4frig, da\u00df er kaum zuh\u00f6rte. Am n\u00e4chsten Morgen zog der Hirte sehr fr\u00fch los, am Abend aber kehrten die K\u00fche allein ins Dorf zur\u00fcck. Die Dorfbewohner standen vor einem R\u00e4tsel. Da d\u00e4mmerte es dem Freund des Hirten und er erz\u00e4hlte dem Bauern die r\u00e4tselhafte Geschichte. Schlie\u00dflich machten sich alle auf in den Harkegrund. Dort entdeckten sie eine Blutlache, einen Hirtenstab und einen gewaltigen Stein, der die sterblichen \u00dcberreste des Hirten bedeckte. Niemand gelang es je, diesen Stein von der Stelle zu bewegen. So bewahrheitete sich das Versprechen der G\u00f6ttin Harke.\u00a0Zur\u00fcck<\/strong>
Eine andere Version besagt, da\u00df der Hirte versprechen mu\u00dfte, \u00fcber sein Erlebnis zu schweigen. Da er es dann doch nicht f\u00fcr sich behalten konnte und seinem Kameraden erz\u00e4hlte, mu\u00dfte er sterben und sein K\u00f6rper wurde von dem gro\u00dfen Stein bedeckt. Man fand nur noch seine Schuhe. Wer aber den Stein fortzuheben sich vermessen sollte, der w\u00fcrde unter gewaltigem Donner augenblicklich vom Blitz getroffen werden. So wurde er lange Zeit mit geheimer Scheu betrachtet.
Der Stein blieb unangetastet liegen, bis um die Jahrhundertwende f\u00fcr den Stra\u00dfenbau sehr viele Steine ben\u00f6tigt und f\u00fcr diesen Zweck sehr viele Findlinge, sogar aus Steingr\u00e4bern, zerkleinert wurden. So war es naheliegend, auch den Harkestein ins Auge zu fassen.
Hans Beek aus Speersdiek konnte sich noch an den alten Steinhauer Johann Hebbel aus S\u00fcderhastedt erinnern, der beauftragt wurde, diese Arbeit zu verrichten. Man hatte ihn aber gewarnt und erz\u00e4hlt, was es mit diesem Stein f\u00fcr eine Bewandtnis habe. Johann Hebbel lachte dar\u00fcber und meinte, den Stein w\u00fcrde er schon entzwei kriegen. So ganz scheint die Warnung doch nicht ohne Wirkung geblieben zu sein. Er kehrte jedenfalls in Tensb\u00fcttel in der Gastwirtschaft ein und trank erst einmal einige Grogs, um dann mit gest\u00e4rktem Mut die Arbeit zu beginnen: Nu hau ik den Steen twei! Am Harkestein packte er sein Geschirr aus, schaute in die Runde und vergewisserte sich, da\u00df nach menschlichem Ermessen an diesem sch\u00f6nen Sommertag nichts dazwischen kommen k\u00f6nnte.
Mit Eifer ging er an die Arbeit und schlug L\u00f6cher in den Stein, in die die Keile getrieben werden sollten. Er hatte schon eine Zeit gearbeitet, als pl\u00f6tzlich in der Ferne ein dumpfes Grollen zu h\u00f6ren war, das sich rasch n\u00e4herte. Blitz und Donner wurden st\u00e4rker, aber er wollte nicht klein beigeben . Die Schande wollte er sich nicht antun, als Angsthase weggelaufen zu sein. Als aber ein greller Blitz dicht neben ihm einschlug und ein gewaltiger Donner folgte, war er mit seiner Nervenkraft am Ende. Er warf sein Werkzeug in den Sack und ri\u00df aus, so schnell ihn die F\u00fc\u00dfe tragen konnten, bis er das erste Haus in R\u00f6st erreichte, immer w\u00e4hnend, da\u00df ihn der n\u00e4chste Blitz f\u00fcr seine frevelnde Tat erschlagen w\u00fcrde. Keine Bitten vermochten ihn zu bewegen, nach Abzug des Gewitters noch einmal an den Harkestein zur\u00fcckzukehren.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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